Von null auf elf
Sören Johannsmann wie Juwel für VfS Warstein

Warstein – Von null auf hundert durchstarten: Welcher Sportler träumt nicht davon, für den neuen Verein gleich beim ersten Einsatz, dazu noch einem Traditions-Derby, zum umjubelten Matchwinner zu werden? Genau das hat Sören Johannsmann am Samstag im Trikot des VfS Warstein getan und erlebt. Ausgerechnet vor der größtmöglichen Bühne, der vollbesetzten Arnsberger Rundturnhalle, trumpfte der gebürtige Gütersloher in einer Art und Weise auf, die nicht nur seine Arnsberger Gegenspieler, sondern auch die eigenen Teamkameraden verblüffte. Denn sein eigentliches Debüt in Dortmund-Husen-Kurl Anfang Januar war äußerst unglücklich verlaufen, weil sich Rechtshänder Johannsmann gleich beim ersten Wurfversuch eine Prellung an der linken Hand zugezogen hatte und zur Halbzeit wegen der zunehmenden Schmerzen passen musste.
Da er in Husen-Kurl torlos geblieben war, hatte ihn das ansonsten akribisch auf den VfS vorbereitete Arnsberger Trainergespann Jan Klute/Ingo Willeke im Derby gar nicht auf dem Schirm. Entsprechend groß war das Erstaunen, als der 1,90 Meter große Halblinke gleich mit Volldampf Lücken in der TVA-Abwehr riss und vier der ersten fünf Warsteiner Tore erzielte. Und wer glaubte, Johannsmann würde im weiteren Verlauf ruhiger und beherrschbarer werden, sah sich getäuscht. Dessen Motto lautet nämlich „von null auf elf“, denn erst nach seinem elften Treffer gab sich der Psychologie-Student zufrieden.

„Wo habt ihr den denn her? Der ist ja wie eine Maschine“, machte Willeke nach Spielschluss aus seiner Verwunderung keinen Hehl. Dabei verlief die bisherige Laufbahn von Johannsmann äußerst bescheiden. Stets stand seine Ausbildung im Vordergrund, ging er bei seinem Heimatverein Spexard nur in der Kreisliga seinem Hobby nach. In den letzten zwei Jahren pausierte er sogar ganz, weil er seinen Master in Trier ablegte. Sein Berufsziel: „In der jetzigen Ausbildung psychologischer Psychotherapeut für Verhaltenstherapie zu werden. Das ist dann die Ausbildung, die man macht, nachdem man sein Psychologie-Studium beendet hat. Ich bin offiziell schon Psychologe, nur noch kein Psychotherapeut.“
Nach Warstein verschlug es Johannsmann, weil er einen Jahresvertrag bei der LWL-Klinik erhielt. „Ich wollte mich fit halten und Kontakte knüpfen, deshalb habe ich gegoogelt, wo man hier denn Handball spielen kann und bin beim VfS gelandet. Seit Oktober habe ich dienstags regelmäßig mittrainiert und immer mehr Ehrgeiz entwickelt, weil es einen riesigen Spaß macht, in dieser Truppe mitzumischen“, schildert Johannsmann seinen Einstieg.
Seine direkten Nebenleute Joel Krischer und Nils Schmidt, die meist nur freitags trainieren können, bekam er dabei kaum zu Gesicht, weil er selbst zu Seminaren nach Münster musste.
Aber wer braucht schon Spielverständnis mit seinen Teamkollegen, wenn er vom Typ her gewohnt ist, sich angstfrei in die Zweikämpfe zu stürzen und jede Gelegenheit zum dynamischen Abschluss zu suchen? Angestachelt von der für ihn völlig ungewohnten Kulisse („Ich habe noch nie vor so vielen Leuten gespielt“), ließ sich Johannsmann auch durch teilweise heftiger Fouls nicht bremsen, zeigte vielmehr die Becker-Faust, wenn er eine gegnerische Zeitstrafe herausgeholt hat. Und mit jedem Treffer stieg sein Selbstvertrauen, sog er die ungewohnten „Johannsmann“-Rufe der Warsteiner Fans wie ein Schwamm auf. Dass seine Freundin extra aus Bonn angereist war, um ihn zu unterstützen, war eine zusätzliche Motivation.
Der Warsteiner Trainer Zoran Kaseric ließ sein neues Juwel die ganzen 60 Minuten durchspielen und nahm schmunzelnd die Glückwünsche zu seinem personellen Coup entgegen.
Wie lange bleibt der Fan von Arminia Bielefeld und Fortuna Düsseldorf dem VfS nun erhalten? „Meine Vertrag läuft im September aus, er könnte aber um ein halbes Jahr verlängert werden, bis ich dann ganz nach Münster gehe“, verrät Johannsmann. Bis dahin will er noch viele Tore für den VfS werfen und schickt schon mal eine Kampfansage Richtung Brechten, dem Tabellenzweiten und härtesten VfS-Konkurrenten um Platz eins: „Ich werde alles geben, um mit Warstein Staffelsieger zu werden und in die Verbandsliga aufzusteigen.“
Soester Anzeiger, 12.02.2025, Text: Bernd Grossmann, Fotos: Anna Clewing
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