Nach Vier-Tore-Führung nur Remis

Warstein – Als die Schlusssirene den Arbeitstag auf dem Handballparkett beendete, mit ihrem Ertönen auch der allerletzte Warsteiner Wurf durch Nils Schmidt in den Fängen des guten Keepers der Gegenseite landete, begann die Zeit der Hochrechnungen. „Wenn wir doch so gespielt hätten wie in Halingen und Herdecke-Ende“, haderte Trainer Zoran Kaseric. Doch hatten seine Schützlinge in Halingen (26:30) und Herdecke (24:31) nicht verloren? Was war soeben in Lössel so sehr viel mehr schief gelaufen, obwohl am Ende mit einem 26:26 keine Niederlage, sondern ein Unentschieden stand? Bei den beiden Spitzenmannschaften in Halingen und Herdecke hatte Warstein über weite Strecken eine gute Vorstellung dargeboten, beim Tabellendrittletzten Lössel jedoch eine Leistung abgeliefert, die Kaseric als eine schwächsten der Saison bezeichnen musste. Lössel, so sein Fazit, hätte „mit vier, fünf Toren Unterschied“ besiegt werden müssen. Doch dazu hätte es am Samstagabend eben der Form aus den Halingen- und Herdecke-Spielen gebraucht.
Landesliga 4: TV Lössel – VfS 59 Warstein 26:26 (11:13).
In der mit einem orangenen Fußboden ausgelegten Albert-Schweitzer-Halle in Iserlohn-Letmathe, in der sich 70 Handballfans versammelten, darunter eine einstellige Zahl aus Warstein, lagen die Gäste tatsächlich einmal mit vier Toren vorn. Nils Schmidt, für den ohne Torerfolg gebliebenen Linksaußen Julius Rüther gekommen, hatte Sekunden vor der Halbzeit per Siebenmeter das 11:13 erzielt und mit einem Doppelschlag im Überzahlspiel zum 11:15 den zweiten Durchgang eröffnet. Da lief die 32. Spielminute – und ab dann wieder nicht mehr viel für den VfS.
Denn den Warsteinern gelang es nicht, mit einer soliden Vorstellung den Vorsprung zu verteidigen, vielmehr holten sie den Gegner mit einer Vielzahl technischer Fehler zurück und lagen nach 48 Minuten sogar mit 21:20 im Hintertreffen.
Dass es kein schöner Handballabend werden sollte, hatte sich früh angedeutet. Für ihre ersten beiden Tore durch Philip Schröder zum 1:1 (5.) und Lars Schmidt zum 3:2 (8.) benötigten die Warsteiner acht Angriffsaktionen. In einer etwas besseren Phase der Partie gelangen dem doppelt treffenden Philip Schröder und Simon Kraus beim Tempogegenstoß drei Tore in Serie zum 6:7 (20.). Lössel nahm eine Auszeit, um sich zu sortieren, doch Warsteins Hauptangreifer Lars Schmidt legte zwei Tore zum 7:9 nach (24.).
Die bis zum 11:15 mühsam erkämpfte Vier-Tore-Führung wurde Zug um Zug aus den Händen gegeben. Zwei Zeitstrafen gegen Nils Schmidt, der sich eine Woche nach der Knöchelverletzung aus dem Olpe-Spiel einsatzbereit zurückmeldete und in der Abwehr resolut zupackte, verschärften beim Stand 16:18 und 18:20 (41./47.) die Situation für den VfS, der in Unterzahl nach einem Tempogegenstoß zum 21:20 erstmals seit dem 6:5 in Rückstand lag.

In die Zahl der technischen Fehler reihte sich ein Einwurf von Nils Schmidt, der vorm Schienbein seines Bruders Lars Schmidt landete, dieser Ballverlust direkt zum 23:21 führte (51.). Mit Balleroberungen in der Abwehr, zwei Rückraumtoren von Jannik Becher und einem Siebenmeter von Nils Schmidt holte sich der VfS zum 23:24 die Führung zurück (56.). Doch nach der dritten Zeitstrafe gegen Lars Schmidt mit der Disqualifikation zur Folge (56.) fing sich Warstein drei Gegentore durch den Lösseler Daniel Stein zum 26:25 (59.).
Anderthalb Minuten vor Spielende drohte dem VfS die schon siebte Saisonniederlage. Kurioserweise half nun ausgerechnet die Gegenseite, diese zu verhindern: Lössels Hauptangreifer Daniel Stein leistete sich direkt nach seinem elften Tor zum 26:25 am Warsteiner Wurfkreis eine Tätlichkeit gegen Nils Schmidt, die mit einer Zeitstrafe bedacht wurde und laut dem aufgebrachten VfS-Anhang härter hätte bestraft werden müssen. Als sich auf der Bank auch noch der Lösseler Thomas Cameron aufregte und eine Zeitstrafe einhandelte, bescherte das dem VfS ein Überzahlspiel auf dem Feld von sechs zu vier.
Aus dieser Überlegenheit fiel 73 Sekunden vor Schluss nur noch der Ausgleich durch Nils Schmidt zum 26:26. Lössels Alex Wagner gegen Keeper Niklas Schmidt und Warsteins Nils Schmidt gegen Winner ließen die letzten beiden Chancen zum „Lucky Punch“ ungenutzt.
Statistik
Torfolge: 1:0 (2.), 1:1 (5.), 3:2 (8.), 6:6 (17.), 7:9 (24.), 11:12 (30.), 11:15 (32.), 14:16 (37.), 17:19 (45.), 18:20 (46.), 21:20 (48.), 23:21 (51.), 23:23 (54.), 23:24 (56.), 24:25 (57.), 26:25 (59.).
Zeitstrafen: 5/5. Disqualifikation: Lars Schmidt (59./VfS).
Siebenmeter: TVL 4/3, VfS 4/3.
Schiedsrichter: Sven Helfrich/Mark Prüfer (Grundschöttel).
TVL: Riedling, Winner im Tor; Stein (11/3), Wagner (4), Burghardt (2), Kreinberg (2), Ricker (2),Brendel (2), Strohhammer (2), Kettendorf (1), Henschke, Schon, Cameron.
VfS: Hendrik Hilwerling (1. - 30.), Niklas Schmidt (31. - 60.) im Tor; Nils Schmidt (9), Lars Schmidt (7), Joel Krischer (3), Philip Schröder (3), Jannik Becher (2), Maximilian Rüther (1), Simon Kraus (1), Jonas Schmidt, Julius Rüther, Jannis Luca (n.e.).
TRAINERSTIMMEN
„Ein Punkt zu wenig“

Zoran Kaseric, Trainer VfS Warstein: „Ein Punkt. Aber auch ein Punkt zu wenig. Eigentlich muss man hier gewinnen. Wir hatten heute viele technische Fehler, die wir in den letzten Spielen mit Harz nicht gemacht haben. Wir haben zu viele Dinger verworfen. Anfang der zweiten Halbzeit kommen wir gut aus der Kabine, führen mit vier Toren. Die Lösseler kommen dann ran, weil wir vorne überhastet abspielen, überhastet werfen. Wir bringen den Gegner selbst wieder ins Spiel. Am Ende nutzen wir ein sechs gegen vier nicht aus aus. Mit einer besseren Chancenauswertung gewinnt man hier locker, aber so reicht es nur für ein Unentschieden.“

Jan-Martin Belgardt, Trainer TV Lössel: „Mit dem Unentschieden kann keiner angesichts der Abstiegssituation so richtig leben. Warstein war in der ersten Halbzeit besser, da haben wir im Angriff nicht den Zugriff gehabt und waren inder Abwehr zu passiv. Da haben wir es unserem Torwart Gero Riedling zu verdanken, dass es zur Pause so knapp steht. In der zweiten Halbzeit nehmen wir den Kampf dann an, sind in der Abwehr mutiger und im Angriff zielstrebiger mit besseren Bewegungen. Wir gehen verdient in Führung, machen es uns dann am Ende selbst kaputt durch Disziplinlosigkeit. Man hätte heute zwei Punkte mitnehmen können.“
Soester Anzeiger, 04.12.2023, Text + Foto: Harald Struff
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