DU BIST VIELLEICHT ́NE MARKE
Text Nicole Jakobs // Fotos VfS Warstein, Privat - aus "WIRIMSPORT" des Landessportbundes NRW; Ausgabe 05.2023
WER GLAUBT, DASS MARKENBILDUNG NUR WAS FÜR GROSSE SPORTCLUBS WIE REAL MADRID ODER BAYERN MÜNCHEN IST UND NICHT ZUM BEISPIEL AUCH FÜR DEN KLEINEN TISCHTENNISVEREIN, DER IRRT: EINE STARKE MARKE KANN AUCH ETWAS FÜR EIN KLEINES PFLÄNZLEIN SEIN – WENN MAN IHR AUSREICHEND PFLEGE ANGEDEIHEN LÄSST.
„SV Unterwaldesruh – der Integrationsverein“ – dazu ein fancy Logo. Fertig ist die Vereinsmarke! Schön wär ́s, wenn es so einfach ginge. Aber vor die bunten Farben und den schmissi- gen Spruch haben die Marketingfachleute die Arbeit gestellt. Im Vereinswesen entsteht eine starke Marke im Laufe eines Prozesses, an deren Ende das Corporate Design (die Vereins- Außendarstellung) steht – genau wie in der Wirtschaft.
Werden wir mal theoretisch. So ein Markenentwicklungs- prozess beginnt mit einer Analyse:
Wer sind wir, was können wir, in welchem Umfeld bewegen wir uns?
Wer ist unsere Zielgruppe, was können wir bieten?
Welche Ziele können wir uns realistisch setzen, welche Instrumente stehen uns zur Verfügung?
Was ist unsere Identität, was legen wir in unserem Leitbild fest?
Es folgt die Konzeptionsphase, in der die Markenstrategie festgelegt wird – auch die visuelle Darstellung des Vereins –, alsdann die Realisierungsphase und die Kontrollphase. Klingt kompliziert, ist aber „nur“ das Lehrbuch. In der Praxis ver- laufen solche Prozesse sehr viel organischer und viel weniger kompliziert. Etwa beim VfS Warstein, einem Handballverein mit rund 420 Mitgliedern.
Groß und Klein fühlen sich beim VfS Warstein gut aufgehoben – auch Dank der Markenbildung
DIE ROTEN IN WARSTEIN
„Wenn ich die Kinder mit ihrer roten Jacke im Edeka sehe, geht mir das Herz auf. Genau dieses `Wir` wollten wir erreichen“, erzählt Vereinsvorstand Ulrich Becker mit einigem Stolz. Seit sechs Jahren steht er dem Hand-ballverein VfS War- stein vor. Viel ist seitdem passiert. Es begann mit dem Wunsch des neugewählten Vorstandes, den Verein anders aufzustellen. Jünger, moderner, digitaler. Aber vor allem: sichtbarer. Erst erstellte der Verein ein Jugendkonzept. Dann einen Flyer für potenzielle Sponsoren. Dann wurde schon einheitliche Kleidung im VfS-Rot angeschafft, Trikots, Trainingsanzüge, sogar Trolleys. Parallel verlief die Leitbildentwicklung – „verläuft“, sagt Becker, „mit dem Prozess sind wir noch gar nicht fertig.“ Vielleicht stolperte der Verein manchmal über seine eigenen Füße und Ideen. Ulrich Becker findet, dass man jammern könne oder die Dinge anpacken könne. Er ist der Typ für Zweiteres. „Ich spreche Menschen an und gewinne immer mehr Leute“, etwa helfende Hände für Aufgaben rund um den Spielbetrieb der Handballer*innen.
Ulrich Becker hat einen Dominoeffekt angestoßen: Je sichtbarer der Verein da draußen wird, desto mehr Menschen wollen Anteil nehmen. „Wir gewinnen in allen Bereichen: Ehrenamtliche, Mitglieder, Sponsoren.“ Innerhalb der letzten sechs Jahre ist die Mitgliederzahl um ein Drittel ge- wachsen, es stehen rund 60 helfende Personen zur Verfügung. Die Einnahmen haben sich verdoppelt, wirtschaftlich steht der Verein auf weitgehend krisensicheren Füßen. „Eine Marke aufbauen kostet Geld. Aber wir holen uns Sponsoren, die das gegen-finanzieren. Und eine Firma hat sogar proaktiv angerufen, weil wir der sichtbarste Verein der Stadt sind.“
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